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Rind

Ein gutes Rindersteak symbolisiert wie wohl kein anderes Lebensmittel die maskuline Seite des Grillens und Genießens. Was wäre ein zünftiger Grillabend ohne ein auf den Punkt gegartes Steak, welches nur etwas Salz und vielleicht ein wenig frisch gemahlenen Pfeffer braucht. Rindfleisch ist immer ein Genuss: sehr kurz und heiß angegrillt als Tataki (quasi Carpaccio mit Röstaromen), durchgedreht und gegrillt als klassischer Burger, als Steak, egal ob rare oder medium – durchgebraten geht gar nicht – oder das Brisket als ursprüngliches BBQ-Langzeitgericht aus dem Smoker. Schnitte wie Teres Major, Onglet oder Flanksteak lassen heute die Herzen der Fleischkenner höher schlagen, aber bis dahin war es ein langer Weg.

Das Rind ist neben dem Schwein das erste Tier, das der Mensch domestiziert hat, damit es ihn als Arbeitstier sowie als Fleisch- und Milchlieferant begleitet. Heute ist das Rind bei uns fast ausschließlich Fleisch- und Milchlieferant. Dabei setzt man vermehrt auf Rassen, die aufgrund ihrer Genetik zur Fleischproduktion geeignet sind. Dazu zählen beispielsweise Black Angus, Hereford, Limousin, Charolais, Simmentaler, Wagyu und der Weißblaue Belgier. Das Chianina- Rind, die größte Rinderrasse der Welt, ist ein typisches Beispiel, wie sich aus einem Arbeitsrind über die Jahre eine reine Fleischrasse entwickelt hat. Sein Porterhouse-Steak ist bekannt als Bistecca alla fiorentina.

Die kulinarische Globalisierung hat auch bei den verschiedenen Fleischschnitten nicht Halt gemacht. Nachdem BSE weitgehend aus dem Bewusstsein des Verbrauchers verschwunden war, wurde Anfang des 21. Jahrhunderts – wenn überhaupt und nur bei besonderen Gästen – ein Stück Rinderfilet oder Roastbeef auf den Grill gelegt. Doch mittlerweile wächst in Mitteleuropa, speziell in Deutschland, der Bedarf an schmackhaftem hochwertigem Fleisch kontinuierlich (die stetig wachsende Grillszene hat daran keinen unbeträchtlichen Anteil). Dieser wird in erster Linie durch Importe aus Amerika, Kanada und Irland abgedeckt. Das südamerikanische Fleisch erfreute sich auch großer Beliebtheit, kommt aber meiner Meinung nach geschmacklich nicht an das Fleisch aus den oben genannten Ländern heran. Mit den Fleischlieferungen kamen aber nicht nur bekannte Schnitte wie Filet oder Roastbeef nach Europa, sondern auch Teile, die aus europäischer Sicht aus minderwertigen Teilen geschnitten und zum Kurzbraten nicht geeignet waren. Doch das Gegenteil ist der Fall: schmackhafte Stücke wie das Flanksteak, welches der deutsche Metzger als Bauchlappen bezeichnet, oder das Skirt erfreuen sich zunehmender Beliebtheit und kosten heute ein Vielfaches ihres anfänglichen Marktpreises. Auch  Deutschland hat in den letzten Jahren bei der Aufzucht von hochwertigen Fleischrindern beachtliche Erfolge erzielt. Dabei ist es nicht getan schmackhafte Rinder grosszuziehen sondern auch die Methoden der Schlachtung und der Fleischveredlung sprich Reifung haben sich positiv entwickelt.

Es ist aber immer noch für den Griller ein Problem in Deutschland flächendeckend im Handel hochwertiges Rindfleisch aus deutschen Landen zu bekommen. Und wenn es doch mal so ist, erkennt er es nur mit geschultem Auge. Ein für den Endverbraucher nachvollziehbares System zur Beurteilung der Fleisch Qualität wie in den USA oder Australien wäre meiner Meinung nach  da sehr hilfreich.

Auch ich bin stets auf der Suche nach mir noch unbekannten, schmackhaften Schnitten, die richtig zubereitet saftig und zart sind.

Das Fleisch vom Rind schmeckt ein wenig salzig – auch der Begriff umami trifft es ganz gut – und besitzt eine leichte Süße und Säure sofern es nicht totgebraten ist. Sein Geschmack hängt aber auch von der Reifung ab: Dry-Age-Fleisch schmeckt nussig, mageres Wet-Age-Fleisch dagegen häufig sehr metallisch. Ein besonderes Verhältnis hat Rind zu scharfen Zutaten wie Senf, Meerettich oder Chili, aber auch kombiniert mit Birne (Korean-BBQ), Kokos und Tomate ist es köstlich. Bei den Kräutern ist man neben den Klassikern wie Rosmarin und Thymian auch mit Dill, Brunnenkresse, Koriander und Minze gut dabei. Weitere passende Aromaten sind unter anderem Zimt, Ingwer und Kaffee.

Wie das „perfekte Steak“ aussehen und zubereitet werden muss, ist allerdings ein großes Thema – allein darüber lässt sich ein eigenes Buch schreiben. Deshalb mein Tipp: Besuchen Sie ein Grillseminar und dann geht’s los mit testen, testen und nochmal testen.

Woran erkenne ich ein gutes Stück Fleisch?

Ich werde oft gefragt, was ein gutes Stück Rindfleisch ausmacht.  Da gibt es wichtige Kriterien:

1. Die Genetik: Sie bestimmt, ob das Rind eher zur Fleischproduktion oder als Milchlieferant geeignet ist. Der Anteil der Muskelmasse und die Veranlagung zum Einlagern von intramuskulärem Fett ist genetisch festgelegt.

2. Die Fütterung: Das Futter des Tiers schlägt sich im Fleisch nieder. Über Geschmack lässt sich zwar streiten, aber wichtig ist eine artgerechte Fütterung und dass das natürliche Fressverhalten des Tiers unterstützt wird. Aus wirtschaftlichen Gründen entscheiden sich viele Züchter zur Intensivmast, verbunden mit eingeschränkter Bewegungsfreiheit für die Tiere. Gute Züchter mästen nur wenige Tage vor der Schlachtung.

3. Das Schlachtalter: Es ist für die Züchter von hoher wirtschaftlicher Bedeutung: Ein Tier, das früh geschlachtet wird, bringt schnell Geld, muss nicht mehr gefüttert werden und räumt seinen Platz im Stall. Jedoch ist für die Fleischqualität wichtig, wie zart und marmoriert das Fleisch ist. Dafür muss das Tier mindestens zwei Jahre alt sein. Zudem wissen Fleischkenner: Jungtiere haben nicht den Fleischgeschmack ausgewachsener Rinder. Das ist der Zwiespalt zwischen wirtschaftlichen Interessen und Geschmack.

4. Das Geschlecht: Ich ziehe eine Färse (eine Kuh, die noch nicht gekalbt hat) einem Jungbullen gleichen Alters vor. Die Färse lagert mehr intramuskuläres Fett ein als der Bulle.

5. Die Reifung: Nach der Schlachtung muss das Fleisch abhängen, damit Enzyme die Eiweißstruktur aufbrechen und das Fleisch zarter und aromatischer wird. Ideal sind 30 Tage. Aus wirtschaftlichen Gründen ist diese Zeit aber häufig kürzer, denn Fleisch, das am Haken hängt, bringt kein Geld. Im Gegenteil: Es verliert Wasser und somit Gewicht

6. Die Weiterverarbeitung: Ideal wäre es, das Fleisch am Punkt der perfekten Reifung sofort zu verzehren. Dies ist leider selten praktizierbar. Also wird das Fleisch schockgefrostet, damit es sein Reifestadium beibehält. Oder es wird vor der optimalen Reifung vakuumiert und eingelagert. Das Fleisch reift dann im Vakuumbeutel langsam weiter. Bis weit in die 1950er-Jahre war es üblich, dass das Fleisch in der Fleischerei abgehangen wurde und dann meist am Stück über die Ladentheke ging. Ende der 50er-Jahre setzte sich das Vakuumierverfahren durch und brachte viele Vorteile für die Lagerung.

Hilfreiche Tipps für den Einkauf

Nun weiß ich dies alles, aber wenn ich im Lebensmitteleinzelhandel an der Fleischtheke oder vorm Kühlregal stehe, steht dort nichts von Genetik, Fütterung und Schlachtalter. Wenn man Glück hat, kann man noch die Rasse und das Geschlecht erkennen. Oder es ist ein QR-Code auf Verpackung. Wenn ich den mit dem Smartphone einscanne, verrät mir das Internet, wo das Fleisch herkommt, welche grünen Wiesen das Rind aus dem Stallfenster gesehen hat, und ob der Bauer in der 4. Klasse sitzengeblieben ist

Kurz gesagt: Aus meiner Erfahrung gibt es keine 100-prozentige Geschmacksgarantie, sondern immer nur eine Empfehlung. Denn angeboten wird das Fleisch von Tieren der verschiedensten Rassen, die unter unterschiedlichen Zuchtmethoden und Fütterungen aufgewachsen sind. Also: „Suchen Sie sich eine Fleischerei, bei der Sie schon beim Betreten des Ladens ein gutes Gefühl haben. Die Fleischtheke sollte gut sortiert sein, und das Verkaufspersonal sollte Kompetenz ausstrahlen. Dort können Sie fragen, von welcher Rinderrasse das Fleisch stammt und wo es herkommt. War es ein Jungbulle oder eine Färse? Dann schauen Sie sich das Fleisch an: Marmorierung, Fettabdeckung und Farbe. Und zum Schluss hilft dann nur: Kaufen Sie ein Stück, bereiten Sie es auf dem Grill optimal zu und probieren Sie es.“

Allen professionellen Fleischeinkäufern empfehle ich, mit den Lieferanten im Gespräch zu bleiben und sich stets über die aktuelle Marktsituation auf dem Laufenden zu halten. Ganz wichtig ist der Erfahrungsaustausch mit Kollegen. Denn letztendlich entscheidet das, was auf dem Teller liegt, ob der Gast wiederkommt.

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